Montag, 3. Dezember 2007

Gefangen im Parallel-Universum

Der Dezember ist gekommen, und Luise's Mama geht seit heute wieder arbeiten! Jetzt hat die Elternzeit endgültig begonnen!

Mein Tag lief folgendermaßen:

04.00 Uhr
Luise merkt dass was im Busch ist und schläft sehr unruhig

05.00 Uhr
Luise möchte gerne eine Kleinigkeit trinken. Ich versuche, sie zu überzeugen, doch lieber ein wenig weiter zu schlafen, aber sie bleibt hart.

06.30 Uhr
Mamas Wecker klingelt

07.00 Uhr
Mama versucht, ihr Töchterchen nochmal zu stillen - doch die schläft jetzt weiter! Mama geht aus dem Haus ...

08.30 Uhr
Luise möchte aufstehen und lässt sich nicht dazu bewegen, noch etwas länger zu schlafen. Außerdem ist die Windel nass -> Windel erneuern, Kaffee machen, Kind auf dem Boden spielen lassen und selber noch ein wenig im Bett lesen

09.00 Uhr
Frühstück: Selbstgemachter Brei (Kürbis-Kartoffel) für Luise

10.00 Uhr
Zahnarzttermin, ich habe am Wochenende ein Stück Füllung verloren. Luise macht super mit, spielt auf dem Boden und brabbelt vor sich hin, weshalb die Helferin sich mehr mit ihr als mit meinem Mundraum beschäftigt. Lerne von meinem langjährigen Friedrichshainer Zahnarzt
(sein DDR-Universitätsabschluss lautet übrigens "Diplom-Stomatiker"): "Die Zahn-Prophylaxe bei Säuglingen beginnt im Mundraum der Eltern"

11 Uhr
Luise bespielen

12.30 Uhr
Luise macht Mittagsschlaf, endlich mal Emails checken und ein paar Sachen erledigen

13.30 Uhr
Eine Stunde Mittagsschlaf sind eigentlich genug; vor allem aber klart sich das Wetter auf, und wenn das Kind jetzt wach wäre könnte ich mit ihr im Wagen joggen gehen... helfe etwas beim Aufwachen, was nicht ausschließlich freundlich aufgenommen wird

14.30 Uhr
Boa, bis man mit so einem Kind endlich loskommt - Windeln erneuern, füttern, anziehen... hat mich eine schlappe Stunde gekostet! Aber jetzt geht's raus

15.30 Uhr
Zurück von Joggen, leider hatte sich das Wetter nicht gehalten, und ich bin pitschnass. Luise saß unter der Regenplane und ist deshalb trocken, aber wirklich gefallen hat ihr die Plane nicht, sie hat ständig
geschimpft und versucht sie herunterzureißen

16.00 Uhr
Auf zum Einkaufen in Richtung Kotti, auf dem Weg schnell noch ne Schawarma reinpfeiffen (habe ja schließlich vorher auch Kalorien verbrannt). Allzu weit scheint es hier in SO 36 mit der Gentrifizierung noch nicht gekommen zu sein: Am gesamten Kotti ist weder frischer Oregano noch frisches Basilikum zu bekommen! Diesmal wäre ich wohl im Prenzlberg doch besser dran gewesen ...

17.00 Uhr
Zurück vom Einkaufen

17.30 Uhr
Die Ehefrau ruft an und richtet aus dass sie innerhalb der nächsten Stunde nach Hause kommt und dass sie Hunger hat -> Kochen unter Verwendung der Einkäufe

18.30 Uhr
Essen

19.30 Uhr
Spülen, Hausarbeit

20.00 Uhr
Luise ins Bett bringen

20.30 Uhr
Wollte jetzt bloggen, aber meine Frau blockiert den Rechner

Bereits 12 Stunden voller Vaterschaft also, und ich bin jetzt auch fix und alle! Mehr hätte ich an diesem Tag unmöglich geschafft!

Wobei - wie kann das sein? Ich fasse nochmal zusammen

A) Eine Stunde Zahnarzttermin
B) Eine Stunde Joggen
C) Eine Stunde Spaziergang und Einkaufen
D) Eine Stunde Kochen und Hausarbeit

... macht nach meinen bescheidenen mathematischen Kenntnissen vier "Tasks" und vier Zeitstunden, bei einem 12-Stunden-Tag.

Wie also kann es sein dass ich so erschöpft bin? Wo ist der Rest der Zeit hin? Warum bin ich nicht zu den vielen anderen Dingen gekommen die ich mir vorgenommen hatte?

Ich muss außerdem ergänzend erwähnen, dass ich es als Produkt- und Projektmanager eigentlich gewohnt bin, dutzende Tasks an einem Kalendertag runterzuarbeiten und zuweilen auch einen 18-Stunden-Tag in 10 Stunden zu schaffen! Wieso also gelingt dass in der Elternzeit nicht?!?

Die Antwort ist nicht ganz einfach.

Zum Ersten denke ich, man kann Management im Beruf und in der Elternzeit einfach nicht vergleichen. Das wäre wie mit den Äpfeln und den Birnen, zu unterschiedlich sind diese beiden Welten:

So ist es während meiner Elternzeit sicher ein Zeichen guten Managements, wenn ich mich eine Stunde hinsetze und mit meinem Nachwuchs spiele; beruflich käme das nicht in jedem Fall gut.

Auch geht einem bei der professionellen Arbeit vieles schnell von der Hand wenn man einmal im Flow ist - hat man erstmal drei Emails bearbeitet, gehen die nächsten 30 auch relativ flott. Soweit kommt es in der Regel während der Elternzeit allerdings nicht, denn Säuglinge haben kein Interesse, den Flow des Elternteils zu unterstützen.

Außerdem schaffe ich beruflich so viele Tasks an einem Tag weil dies mein Job ist und ich vieles darauf ausrichte. In der Elternzeit gibt es dagegen so viele "Neben-Tasks" - z.B. das ganze An- und Ausziehen, Windeln und Abfüttern des Kindes bis man überhaupt erst los kann, vom allgemeinen und allgegenwärtigen Aufmerksamkeits-, Liebes- und Spiel-Bedarf gar nicht zu reden - dass man froh ist wenn man überhaupt noch etwas anderes schafft!

Lange Rede, kurzer Sinn: Elternzeit ist anders. Eine andere Welt. Besser noch: Ein anderes Universum! Das erklärt vieles: Die veränderte Wahrnehmung, das verschobene Zeitgefühl, das andere Wertegefüge ... Ja, so muss es sein:

Ich bin
gefangen im Parallel-Universum!!!

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